Friedhöfe
sind dazu bestimmt, den Angehörigen Verstorbener zu ermöglichen,
dass Gedanken an und Gefühle für die darin ruhenden Familienmitglieder
und Freunde nicht vergessen oder verdrängt werden. Umso schmerzlicher
war es für die Heimatvertriebenen, dass ihnen nach ihrer von Angst
und Ungewissheit begleiteten, von Not und Elend bestimmten Flucht
über ein halbes Jahrhundert verwehrt blieb, die Gräber ihrer Mütter
und Väter, Brüdern und Schwestern, ihrer Vorfahren zu besuchen
und zu pflegen. So wie dies jetzt am 1. November 2007 zu Allerheiligen
Millionen von Menschen in Deutschland tun werden. Auch das hat
die Vertriebenen aufs tiefste verletzt. Doch das völlig veränderte,
friedliche und um Aussöhnung der Völker bemühte Europa von heute
will diesen Seelenschmerz lindern. Das wurde für die Sudetendeutschen
jetzt in einem deutsch-tschechischen Vertrag über gute Nachbarschaft
und freundschaftliche Zusammenarbeit vereinbart. Und es wird für
die vertriebenen Schlesier und Ostpreußen vorbereitet.
In diesem Vertrag versprechen sich beide Vertragspartner Pietät
gegenüber den Toten und Respekt vor dem Bedürfnis der Angehörigen,
das Andenken an die Verstorbenen in Ehren zu halten und den Gräbern
als Zeugen der Geschichte und kulturellen Eigenart eine angemessene
Pflege ermöglicht wird. Ferner verpflichten sie sich, dass deutsche
und tschechische Opfer der Kriege und der Gewaltherrschaft, die
auf ihrem Gebiet ruhen, unter dem Schutz der Gesetze stehen.
Und
was für die Heimatvertriebenen und deren Nachkommen natürlich
besonders belangvoll sein mag, ist die Vereinbarung über deutsche
Zivilgräber auf noch bestehenden Friedhöfen in Tschechien. Deutsche
Gräber, für welche das Nutzungsrecht erloschen ist, in denen aber
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noch kein anderer Verstorbener bestattet wurde, können von Angehörigen
des letzten Nutzungsberechtigten jederzeit wieder neu erworben
werden. Der neue Erwerber ist verpflichtet, Grabnutzungsgebühren
in derselben Höhe zu bezahlen, wie tschechische Staatsbürger.
Auch deutsche Gräber von lokalhistorisch bemerkenswerten Verstorbenen
wie Bürgermeister, Pfarrer, Lehrer oder Heimatdichter sollen vom
Friedhofsbetreiber in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten bleiben.
Zur Erinnerung an die Toten, die in nicht mehr erhaltenen deutschen
Gräbern beigesetzt waren, soll auf dem Friedhofsgelände ein Ort
des Gedenkens geschaffen werden. Zur Erinnerung an Tote, die auf
Friedhöfen untergegangener Orte beigesetzt wurden, sollen Erinnerungszeichen
wie Gedenkkreuz, Gedenkstein oder Marterl errichtet werden.
Und wie begegnen nun Heimatvertriebene bislang dieser gesetzlich
geregelten Möglichkeit? Wie es in Günzburgs mährischer Patenstadt
Sternberg um deutsche Gräber bestellt ist, war aus dem dortigen
Rathaus telefonisch nicht zu erfahren. Der Vorsitzende des Sternberger
Heimatvereins Helmut Sabinsky aus‚Günzburg freilich erinnert sich,
bei seinem einzigen Besuch auf dem Sternberger Friedhof nur noch
wenige deutsche Gräber und einige umgestürzte deutsche Grabsteine
vorgefunden zu haben.
Was nach 1990 nach einer Zeit der kollektiven Missachtung der
Deutschen durch ein verirrtes Regime heute in vielen anderen tschechischen
Städten kaum mehr anzutreffen ist, gibt es noch in Elbogen. Nämlich
gepflegte deutsche Gräber und intakte deutsche Grabsteine. Das
verwandelte Europa hat eben auch den Friedhöfen neue Wertschätzung
gegeben.
Autor: Wilfried Läbe
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