Eine Bande zwischen zwei Städten mit Gefühl

Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden sind Ausdruck zwischenmenschlicher Beziehungen. Doch die am 18. September 1999 auf der 800 Jahre alten Burg Elbogen vollzogene Partnerschaft zwischen dem schwäbischen Illertissen und dem westböhmischen Elbogen (heute Loket) ist anders als jene partnerschaftlichen Beziehungen, die meist auf gleicher Ebene eingegangen werden und die sich je nach dem Zweck der Verbindung jederzeit auflösen lassen. Sie war von Anbeginn ein geschichtlich-kulturelles Bekenntnis zu einer ehrlichen Absicht, die Bande zwischen beiden Städten mit viel Gefühl für die jeweiligen Bevölkerungsschichten nach dem Ende der kommunistischen totalitären Herrschaft in der Tschechoslowakei zu festigen.

Das Vertreibungsgeschehen nach dem zweiten Weltkrieg war die folgenschwerste Zäsur in der 1234 erstmals erwähnten Geschichte Elbogens. Die menschlichen Dimensionen dieser Tragödie, das Leiden der Betroffenen, werden in ihrem Ausmaß nie erfasst werden können. Auch nicht die aus ihrer Heimat vertriebenen Bewohner von Elbogen und der umliegenden Gemeinden Zech (heute Udoli), Höfen (heute Dvory), Nallesgrün (heute Natlesi) und Schlackenwalde (heute Horni Slatkov). Viele von ihnen fanden in Illertissen Aufnahme und Eingliederung. Diese Menschen, die ihre Heimat, die ganze Habe und fast immer auch die natürliche Einbindung in den vertrauten Kreis ihrer Landsleute verloren hatten, empfanden die Übernahme einer Patenschaft am 16. August 1953 dankbar als Geste der Solidarität mit ihrem Schicksal. Ihre Elbogener Heimat fand sich aber durch den Eisernen Vorhang als trennende Grenze nur noch in den Erinnerungen an ihren vertrauten Kreis liebgewordener Mitmenschen, an die Zeugnisse Elbogener Kultur und Geschichte. Und die Illertisser Bürgerschaft wiederum wusste, wenn überhaupt, nur wenig über den Herkunftsort ihrer Neubürger.

Die Geschichte freilich hätte ihnen Auskunft geben können, dass die Gemeinsamkeiten von Illertissen und Elbogen schon vor dem Zuzug heimatvertriebener Elbogener bestanden. Die erste urkundlich erwähnte Begegnung beider Städte liegt fast 600 Jahre zurück. 1430 hielt Kaiser Sigismund seinen Reichstag in Ulm ab und ließ nach vielen Kriegen in Geldnot geraten durch seinen Reichskanzler und Herrn der Burg Elbogen Caspar von Schlick dem Grafen von Kirchberg das Marktrecht und die Hohe Gerichtsbarkeit mit Stock und Galgen für Illertissen verkaufen.

Als 1990 nach der Osterweiterung endgültig die letzten Rostflecken des Eisernen Vorhangs, dieser menschenverachtenden Grenze zwischen Tschechien und Bayern fiel, begegneten sich bald schon auch Elbogener und Illertisser friedvoll. Immer häufiger kamen Illertissener nach Elbogen. Mehr und mehr erfüllte sich die Patenschaft, die für die tschechische Bevölkerung Elbogens ein halbes Jahrhundert völlig unbekannt war, erst

 

abwartend und auch ein wenig misstrauisch und schüchtern, aber dann mehr und mehr mit Herzlichkeit und Harmonie. Und so wuchs zusammen, was vor dem zweiten Weltkrieg zusammengehört: ein friedliches Miteinander von Tschechen und Deutschen.

Am 18. September 1999 unterzeichneten die Bürgermeister beider Städte, Jan Hadrava, damals auch noch Senator der Republik Tschechiens für Elbogen und Karl-Heinz Brunner für Illertissen einen Partnerschaftsvertrag. Dies taten sie in der Überzeugung, damit zu einem vereinten, demokratischen Europa in Frieden und Freiheit ohne Grenzen beizutragen. Zu Recht. Was 1953 mit einer Patenschaft begann und 1999 mit der Partnerschaft bekräftigt wurde, ist heute ein lebendiges Miteinander. Weil, wie es der Präsident des Illertisser Partnerschaftskomitees Josef Kränzle im Oktober 2002 bei seiner Amtsübernahme vom ersten Präsidenten Josef Fackler sich wünschte, nämlich, dass "die Menschen beider Städte aufeinander zugehen und etwas tun, statt nur zu fordern, dass etwas getan werden muss." Große Verdienste erwarb sich dabei Jan Hadrava, der dafür 2004 von der Stadt Illertissen mit der Bürgermedaille in Gold ausgezeichnet wurde.

Längst sind politische Gegensätze überwunden, der Partnerschaftsgedanke mit neu geordneten Ideen gefüllt. Auf beiden Seiten erfüllen Menschen nicht nur aus beiden Rathäusern Brücken- und Mittlerfunktionen. Sie tun viel mehr. Ein wesentlicher Schwerpunkt ist die Kultur und Brauchtumspflege. So unterstützten Illertisser Bürger den Elbogener Heimatverein bei der Restaurierung geschichtlich-kultureller Bauwerke wie die Stadtmauer, der dem Heiligen Wenzel geweihte Kirche, der Anna-Kapelle, der Mariensäule, dem Goethe-Denkmal, der Nepomuk-Statue, von Kreuzen und Gedenktafeln.

Längst sind aber auch Begegnungen zwischen Bürgervereinigung beider Städte festliche Anlässe: Elbogen-Besuche der Stadtkapelle Illertissen und der Musikvereinigung Au, vom Kammerchor Illertissen, der Singgemeinschaft Tiefenbach, Sportlern vom FV Illertissen und den Kletterern des Alpenvereins, der Feuerwehr Illertissen, der Tiefenbacher Ministranten, Illertisser Oster- und Weihnachtsbescherungen der Elbogener Kindergärten und des Altenheims, der beliebte Elbogenstand am Illertisser Weihnachtsmarkt, Elbogener Studenten als Ferienarbeiter in Illertissen und vieles mehr. Statistisch unerfasst bleiben naturgemäß die entstandenen Freundschaften zwischen Privatpersonen. Aber es sind viele und werden mehr und mehr. Die Begegnung ausbauen will auch der eben gegründete Illertisser Freundeskreis unter dem Vorsitz von Dr. Karl-Heinz Brunner. Das wird Hand in Hand mit dem Illertisser Partnerschaftskomitee für Elbogen erfolgen. Ganz bestimmt auch dann, wenn im September mit Elbogener Tagen in Illertissen das Jubiläum "10 Jahre Freundschaft mit Elbogen" gefeiert wird.

Autor:Wilfried Läbe

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