Tschechien - ein Land aus drei Ländern -                                                                      Seite 1
Von Wilfried Läbe - Journalist und Tschechien-Kenner aus Günzburg

Tschechien ist ein Land aus drei Ländern: aus Böhmen, Mähren und einem kleinen Gebiet aus dem ehemaligen Schlesien. Sie werden jetzt vermutlich das Wort Sudetenland vermissen. Doch das gibt es eigentlich genau genommen als Land gar nicht. Doch darüber später.

Die Historischen Länder des heutigen Tschechiens sind wie schon gesagt deren drei, deren unterschiedliche Namen auf unterschiedliche Herkunft weisen. Böhmen ist benannt nach den keltischen Bojern, deren Stammesbezeichnung die nachfolgenden Germanen für das Land übernahmen und auch auf das Land und den Stamm der Bayern Baihaim und Bajuwaren übertrugen. Das erste Mal taucht schriftlich das heutige Böhmen als Boiaemum auf aus das über Baihaim und Beham zur heutigen Sprachform führte. Ist Bayern heute nach der sanften Revolution vor 20 Jahren der größte Wirtschaftspartner Tschechiens, so hat das natürlich nichts mit unserer verwandtschaftlichen Verbundenheit zu unserem östlichen Nachbarn zu tun. Aber es zeigt uns, dass wir nicht nur durch den Flüchtlingsstrom nach dem zweiten Weltkrieg durch die beinahe 3 Millionen aus dem Sudetenland gekommenen Vertriebenen verwandtschaftlich mit Böhmen verbandelt sind.

Für die Tschechen hingegen wurde aus ihrer stammesgeschichtlichen und politischen Entwicklung heraus der Name Cechy der bestimmende: Er bezeichnet Land und Volk. Cechy ist Böhmen, Scheschie (Cesi ist die Tschechen oder das tschechische Volk). Denn vieles, was an Landschaft und Geschichte zwei Völkern seit langen gemeinsam ist, Böhmen und böhmisch heißt und ist, ist eben nicht gleich tschechisch. Damit ist eine entscheidende nationale und zwischenvolkliche Problematik angesprochen. So nannten sich die Deutschen einfach Deutschböhmen, und das zur Unterscheidung von den "tschechischen" Böhmen.

Der Name für das Land Mähren ist aus dem keltischen Namen für den Fluss Match übernommen, im

 

Tschechischen Morava für Fluss und Land. Das dritte Land ist Schlesien, einer Ableitung von den germanischen Silingen, die vom hohen Norden als wandalischer Teilstamm ins Herz Europas kam. Zur Unterscheidung von den preußischen Schlesiern sprach man nach der Teilung des Landes nach den schlesischen Kriegen von Österreichisch-Schlesien mit Breslau als Zentrum oder Sudetenschlesien mit den Zentren Tropau und Sternberg, zu dem Günzburg die Patenschaft 1955 übernommen.

Und jetzt kommen wir zu den Sudetendeutschen. Diesen Namen gab es erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts auf Anregung des Wanderlehrers Franz Jesser, der statt des umständlichen "Die Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien" die Bezeichnung "Sudetendeutsche" durchsetzte. Der Begriff entstand in Anlehnung an "Alpendeutsch" und Karpatendeutsche als Gemeinschaftsbegriff für eine durch die Geschichte und gemeinsames Schicksal zusammengewachsenen Stamm aus den Stämmen des Böhmerwaldes, des Egerlandes, des Riesengebirges, Südmährens, Nordmährens und Schlesien.

Die Sammel- und Schicksalsbezeichnung gewann internationale Bedeutung, als sie, nicht zuletzt durch Südmährener Dr. Karl Renner, den späteren ersten Bundeskanzler Deutsch-Österreichs und ersten Bundespräsidenten der Republik Österreich nach 1945 in die Verhandlungen um Sankt Germain eingebracht wurde.

Das Sudetenland hat nur zweimal staatspolitisch für kurze Zeit eine Rolle gespielt: 1918/1919 als selbst gewählte und dem alternativen "Altvaterland" vorgezogene Benennung der Provinz in den östlichen Sudeten, die zu Österreich wollte. Und 1938 bis 1945 als Name für den Gau des dritten Reiches. Heute werden die Bezeichnungen "Sudetendeutsch" und Sudetenland als sinnvoll und zweckmäßig verwendet, da sie sonst durch Umschreibungen ersetzt werden müssten.

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